Der erste Fall: Inspektor Sklenskys Gespür für Papier

Inspektor Sklensky sieht sich als Spezialist für Verbrechen in Druckereien. Gerade hat er sich zur Erweiterung seines Fachwissens den Film „Feuchte Walzen – Offsetluder Teil 3“ angesehen, da läutet das Mobiltelefon.

„Da ist was passiert!“, hört er die Stimme seiner Assistentin Simone, „Bei Subadruck haben sie eine Leiche gefunden!“. Das ist also der Moment, in dem das jahrelanges Training im Druckereibereich endlich gefragt ist, denkt sich Sklensky. Er schaltet den DVD-Spieler ab und begibt sich zum Tatort.

Subadruck ist eine saubere und freundliche Druckerei. Im Hintergrund hört Sklensky das produktive Rattern einer Bogenoffsetdruckmaschine, die mit mindestens 15.000 Touren läuft. Der Gerichtsmediziner ist schon mit der Arbeit fertig, als Sklenksy eintrifft. „Es handelt sich eindeutig um Mord.“, sagt er. „Das Opfer heißt Fritz Weber und wurde vor etwa zwölf Stunden, gegen 21 Uhr, mit einem Skalpell regelrecht aufgeschlitzt. Der Täter muss sich mit dem Werkzeug sehr gut auskennen. Es könnte ein Arzt sein …“. „…oder ein ehemaliger Offsetmontierer“, sagt Sklensky. Früher wurden Skalpelle in Druckereien gerne zum Zerschneiden der Filmstücke verwendet, das weiß er aus seiner Ausbildung.

„Herr Weber war ein guter Kunde von uns“, sagt wenig später Elias Gruber, der Kundenbetreuer.„Er war ein ausgezeichneter Grafiker, völlig unkompliziert. Alle seine Aufträge waren tadellos vorbereitet, die Dateien hat er immer als fehlerfreie PDF-X/1-Daten geliefert. Ein einziges Mal haben wir einen Katalog von ihm falsch gedruckt, das hätte ein paar Leuten damals fast den Job gekostet.“

„Wer war denn zum Tatzeitpunkt gestern Abend noch in der Druckerei?“, fragt Sklensky. „Ich würde mit den betreffenden Personen gerne reden!“

Wenig später, während Sklensky einen Kaffee trinkt, treffen die ersten Personen ein. Thomas Völker ist ungefähr 50 Jahre alt und Offsetdrucker. „Ich war gestern in der zweiten Schicht hier. Herr Weber war zum Farbabstimmen an der Maschine. Ist bei seinen Sachen meistens nicht notwendig gewesen, aber er wollte immer noch ein bisschen gustieren. Sie wissen schon, wie diese Künstler sind, ein bisschen mehr Magenta da oder ein wenig Gelb weniger dort. Ich habe dann immer ein wenig an den Tasten herumgedrückt, den gleichen Bogen noch einmal vorgelegt und er war zufrieden. Gestern hat er mir noch einen Zwanziger gegeben und ist gegen 21 Uhr gegangen.“ „Ist Ihnen etwas aufgefallen?“, fragt Sklensky. „Er hat seinen orangen Schal nicht getragen, aber das waren wohl die Temperaturen.“, sagt Thomas Völker. „Danke!“, sagt Sklensky.

„Wir haben ein einziges Mal eine Reklamation von Herrn Weber gehabt,“ sagt Heinrich Wallner,der gestern in der Druckvorstufe den Abenddienst hatte. „Da ist ein Bild in seiner Datei von unserem Workflow geschluckt worden. So was passiert eben manchmal“, sagt er, als er Skenskys fragenden Blick sieht. „Kein Workflow ist fehlerlos und in ganz seltenen Fällen übersehen wir so etwas. Seitdem kommt er jedes Mal zum Farbabstimmen, wenn wir etwas von ihm drucken. Und natürlich ist seitdem nie wieder etwas passiert“. „Haben Sie früher auch Offsetfilme montiert?“, interessiert sich Sklensky. „Natürlich!“, sagt Wallner.

„Der Wallner ist ein guter Mann und seit mindestens 25 Jahren bei uns.“, erzählt AbteilungsleiterAugust Treichl, der gestern auch noch am Abend in der Druckvorstufe war. „Mit Herrn Weber hatten wir ein gutes Verhältnis, diesen einen Fehler damals hat er uns schnell verziehen. Natürlich standen wir alle unter Druck, weil so einen guten Kunden möchte man nicht verlieren. Wir haben lange intern diskutiert, ob wir in der Vorstufe den Fehler hätten sehen sollen oder ob dem Thomas Völker, der den Auftrag damals gedruckt hat, das fehlende Bild auffallen hätte können. Egal, ich habe selbst gestern Nachmittag noch seine Daten von RGB in CYMK umgerechnet, damit nichts passieren kann.“

Sklensky findet Robert Rath am Tiegel, wo dieser mit einem nostalgisch langsamen Rhythmus A4-Bögen stanzt. „Sie waren gestern Abend auch da?“, fragt er. „Ja, sicher“, sagt Rath. „Das mit den 11 Stunden Ruhepause im § 13 Punkt 4 nehmen wir hier nicht so genau. Und der Chef zahlt es, seitdem ich ihn darauf aufmerksam gemacht habe.“ Er lächelt. „Sie sind Betriebsrat, Herr Rath?“, fragt Sklensky. „Ja, sicher!“, sagt Rath. „Kannten Sie Herrn Weber?“, fragt Sklensky. „Ja, sicher! Guter Umsatz, aber schlechte Deckungsbeiträge. Der Gruber nimmt doch jeden Auftrag, egal um welchen Preis.“, sagt Rath. „Und den Staubapparat lassen Sie beim Stanzen wohl auch nur wegen der Schmutzzulage laufen?“, meint Sklenksy, während er einen orangen Schal vom Boden aufhebt und geht.

Betriebsleiter Balázs Imre sitzt in seinem Büro, als Sklensky zu ihm kommt. „Ich möchte Sie bitten, die Sache diskret zu behandeln. Mit dem Umsatz läuft es gerade nicht so toll, einen Skandal können wir uns schon gar nicht leisten. Haben Sie denn schon einen Verdacht?“. Einen Verdacht hat Sklensky allerdings schon.

Zur Lösung

Sklenskys erster Fall erschien erstmals im Juli 2015.

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